Der Hamster steuert ein weiteres interessantes Sprachbild bei, das angesichts des Stillstandes des öffentlichen Lebens ab und an zitiert wird: Das sprichwörtliche „Hamsterrad“. Auch wer das nachtaktive Haustier nicht in seinem Schlafzimmer hat, kann etwas mit diesem Bild anfangen.
Der Hamster bekommt eine Art Tretmühle in seinen Käfig, damit er seinen großen Bewegungsdrang befriedigen kann. Er treibt das Rad durch das eigene Tempo an, und kommt ohne Probleme auf ca. 30.000 Umdrehungen in der Nacht. Das entspricht den 20 – 30 Kilometern, die er in der freien Wildbahn laufen würde. Die Bewegung ist lebenswichtig für das Tier, auch wenn so gut wie keine äußeren Reize auftreten. Ähnliches kennen wir von den High-Tech-Laufbändern in unseren Fitness-Studios.
Im übertragenen Sinn steht das Hamsterrad für einen Zustand permanenter Beschäftigung mit dem Immergleichen, das in regelmäßiger Abfolge über uns hereinbricht. Daran gewöhnt man sich, da erhöht man sogar das Tempo, nur um festzustellen, dass man trotz aller Anstrengung nicht an ein Ende oder Ziel kommt. Wie auch – ist ja ein Rad.
Und so laufen wir im Hamsterrad, und weil das fast alle tun, fühlt es sich ganz gut an, normal eben. Dass es den einen oder anderen mal raushaut, weil er doch ein zu hohes Tempo drauf hatte, oder einfach ungeschickt war – tja, das kommt eben vor.
Eine typische Frage von Hamsterrad zu Hamsterrad: „Na, wie läuft’s so bei dir?“
Aber nun steht für viele von uns dieses Hamsterrad so gut wie still. Das ruckelnde Abbremsen des Rades hat uns allen erstmal den Schwung genommen. Ein bisschen benommen schauen wir uns um und stellen fest – nichts geht mehr! Was tun? Warten, dreimal tief Luftholen und weiterrennen, sobald der Bremsklotz entfernt ist?
Dreimal tief Luftholen halte ich auf jeden Fall für sinnvoll. Vielleicht sogar fünfmal. Und dann wäre doch jetzt eine gute Gelegenheit, ein paar vernachlässigten Fragen nachzudenken: Wo bin ich überhaupt und wie bin ich bloß hierhergekommen? Was mache ich eigentlich hier?
Ach ja, der Hamster nutzt so ein Laufrad natürlich nur, solange er in einem Käfig gehalten wird…
2 Antworten auf „Der Hamster, Teil 2“
Mir fällt da noch ein schönes Wort ein von Angelus Silesius:
„Halt an, wo läufst du hin? / Der Himmel ist in dir. / Suchst du Gott anderswo, / du fehlst ihn für und für.“ Angelus Silesius (1624 – 1677).
Das Anhalten scheint für uns alle SO SCHWER. Das Überangebot an Hilfen und hilflosen Helfern weist darauf hin, dass das ANHALTEN zu den schwersten spirituellen Übungen insgesamt zu gehören scheint. Auch innerhalb der Kirchen übrigens.
Der Franziskaner-Pater Richard Rohr schreibt in diesem Sinne: „Meister Eckhart hat gesagt: Das geistliche Leben hat mehr mit Loslassen (Subtraktion) zu tun als mit Hinzufügen (Addition). Aber im kapitalistischen Westen haben wir mit dem Evangelium folgendes gemacht: Ständig klettern wir auf Erfolgsleitern hoch und haben auch das Evangelium zu einer Sache von Addition anstatt zu einer Sache von Subtraktion gemacht. Das einzige, was wir tun können, ist uns selbst ‚beiseite zu räumen‘. Dann ist Gott offensichtlich. Aber wir finden heraus, dass gerade dies in Wirklichkeit das allerschwerste ist. Man hat uns beigebracht, uns selbst so furchtbar ernst zu nehmen, obwohl wir selbst doch nur ein winziger Augenblick des Bewußtseins sind. Ich bin nur ein winziger Teil der Schöpfung, ein Teilchen, das nur einen Bruchteil der Herrlichkeit Gottes widerspiegelt. Und doch ist das genug. Wenn wir dieses ‚es ist genug‘ in uns erfahren und spüren, brauchen wir dort draußen nicht mehr so viel.“ (Richard Rohr, Von der Freiheit loszulassen – Letting Go, München 1990, 145).
Ich fürchte, das Hamsterrad steht im Moment weitgehend nur äußerlich still. Dafür glüht das Internet.
Wäre es eine Katastrophe, wenn es ausfallen würde?
Und wenn ja, wofür steht es dann?