Lange habe ich nichts mehr schriftlich festgehalten, ziemlich genau sechs Wochen. Obwohl meine „letzten Worte“ etwas ganz anderes verheißen haben. „Zeit zum Schreiben“ wollte ich mir nehmen. Keine einzige Zeile ist entstanden, dafür viele wirre Gedanken, die mir mehr und mehr auf den Magen geschlagen sind.
Ein Bild kam mir in den Sinn, das meinen Zustand in den letzen Wochen ganz gut beschreibt: Der Strömungskanal, wie er in vielen Spaß- und Erlebnisbädern zu finden ist. Der Spaß besteht darin, dass man von der Strömung weggetragen wird, kaum Schwimmen muss und dabei richtig schnell wird. So soll möglicherweise das Erlebnis erzeugt werden, als ob man in einem Fluss schwimmt.
Stellen wir uns also so ein Strömungsbecken vor, dann wäre zu Beginn des Lockdowns der Motor auf Null gestellt. Das Wasser steht still im Kanal und alle Strömungsschwimmer hängen am Rand oder paddeln gemächlich mit eigener Kraft durch’s Wasser. Nach fünf Wochen in diesem Zustand spürt man plötzlich, wie eine leichte Bewegung im Wasser entsteht – der Motor ist wieder angelaufen, auf kleinster Stufe. Langsam aber kontinuierlich nimmt die Kraft der Strömung zu. Bald lassen die ersten den Beckenrand los und gleiten gemächlich durch die Wellen. Ich stehe immer noch am Beckenrand und wundere mich über die Selbstverständlichkeit, mit der sich einer nach dem anderen in den Strom wirft.
Irgendwie hatte ich die Hoffnung, dass etwas anders wird, dass ich mir Gewohnheiten hinüber rette; dass es vielleicht ein Umdenken gibt. So ein umfassendes und globales Umdenken – nicht nur um uns alle vor dem Virus zu schützen, sondern um das Leben insgesamt zu ehren und zu bewahren.
Das war wahrscheinlich naiv, so zu hoffen.