Alle Jahre wieder feiern wir Ostern.
An der Seite Jesu und seiner Jünger gehen wir durch die spannungsvollen Tage der Passionswoche. Die beginnt mit einem bejubelten Einzug in Jerusalem, nimmt uns dann mit zum letzten Abendessen und Krisengesprächen unter Freunden, führt uns Jesu‘ Zweifel und Anfechtungen am Ölberg vor Augen und mündet im Verrat durch Judas. Wir erleben die zähen Verhandlungen vor den zuständigen Behörden, die in einem Todesurteil enden. Am Karfreitag schließlich gedenken wir Folter, Leid und Tod. Dann steht die Zeit still. Kaum auszuhalten.
Müssen wir aber auch nicht lange, denn schon nach 36 Stunden (gerechnet von der Sterbestunde um 15.00 Uhr am Freitag bis zur nächtlichen Auferstehung um 3.00 Uhr am frühen Sonntag) beginnt mit Ostern etwas ganz Neues und wir sind eingeladen zur österlichen Freude, es darf gejubelt und gelacht werden. Alle Jahre wieder.
Beim Abendessen am Karfreitag am Familientisch kam eine interessante Frage auf: Wozu diese alljährliche emotionale Achterbahnfahrt, wo wir doch wissen, worauf es hinausläuft? Wenn mir Ostern etwas bedeutet, dann tut es das doch ein für alle Mal? Dann kann ich doch nicht so tun, als ob ich jedes Jahr auf’s Neue überrascht und auf’s Neue begeistert bin, oder?
Diese Fragen und Gedanken sind mir gut vertraut und begleiten mich mehr oder weniger drängend schon einige Jahrzehnte. Allerdings hatte ich – anders als unsere Söhne – es nie gewagt, sie an geeigneter Stelle auch auszusprechen. Nun sind sie „auf dem Tisch“ und ich versuche mich an einer Antwort. Immerhin habe ich Ostern nie „ausfallen“ lasssen (was an der Seite eines Gemeindepfarrers natürlich auch recht schwierig geworden wäre).
Warum also alle Jahre wieder die genau gleichen Ereignisse bedenken und feiern? Und da kann man über die religiösen Feste hinaus ja auch fragen, wozu wir alljährlich unsere Geburtstage feiern. Unser Am-Leben-Sein an sich beweist, dass es diesen einen entscheidenden Tag der Geburt gegeben hat. Trotzdem tut es anscheinend gut, sich regelmäßig daran zu erinnern. Wenigstens an einem Tag im Jahr sich dieser erstaunlichen Tatsache gewahr werden, dass ich schon so und so viele Jahre als lebendiges Wesen auf dieser Welt bin.
Erinnern – vielleicht geht es auch an Ostern einfach nur darum: sich erinnern!
Daran, dass menschliches Leben seit jeher aus Höhen und Tiefen besteht, aus Gemeinschaft und Einsamkeit, aus Verzweiflung und Hoffnung, aus Trauer und Freude, aus Leben und Tod.
Daran, dass wir in dieser Spannung leben und es mitunter ziemlich schwer ist, sie auszuhalten.
Beim nächsten familiären Treffen am Tisch kann ich zumindest diese Antwort beisteuern: durch das Osterfest 2021 wurde ich daran erinnert, dass das Leben weitergeht – allem Widrigen zum Trotz.