Ich habe mich mittlerweile ganz gut damit abgefunden, in der Corona-Krise für den Fortbestand unserer Gesellschaft nicht allzu relevant zu sein. Das, was ich tun kann – zuhause bleiben, Abstand halten, Hände waschen – ist ohne Probleme machbar. Allerdings kein wirklich echter Anreiz, morgens aus dem Bett zu kommen.
Da hilft es schon eher, mit den drei Männern zusammenzuleben, die mir über viele Jahre hinweg ans Herz gewachsen sind.
„Wir haben es ganz gut mir dir erwischt, Mama“, meinte mein 21jähriger Sohn, als er um die Mittagszeit in die dampfenden Töpfe schaute. Der Jüngere ist in regem Austausch mit mir über schulische und sonstige Themen, und mein Mann bringt seine Freude über meine vom Terminstress befreite heitere Anwesenheit ganz unverhohlen zum Ausdruck. In diesem überschaubaren System meiner Familie war und bin ich offensichtlich äußerst relevant.
Und ohne die ernormen Leistungen, die in diesen Tagen in unseren Parlamenten, im Gesundheitssystem und der Lebensmittelbranche erbracht werden, damit herabzuwürdigen – möchte ich den israelischen Schriftsteller David Grossman zitieren. In seiner Dankesrede anlässlich der Verleihung des Friedenspreises in Frankfurt sagte er:
„Ich denke, die bedeutendsten Dinge in der Geschichte der Menschheit haben sich nicht auf Schlachtfeldern ereignet, nicht in den Sälen der Paläste oder den Fluren der Parlamente, sondern in Küchen, in Kinder- und Schlafzimmern.“
David Grossman
Da stimmen ihm sicher nicht alle Historiker zu, aber es wäre auf jeden Fall ein bedenkenswerter Ansatz für uns alle, die wir gerade außergewöhnlich viel Zeit in Küchen, Kinder-, Wohn- und Schlafzimmern verbringen:
Was hier geschieht, wie wir mit den ganz nahen Menschen zusammenleben, wie wir mit ihnen reden, spielen, lachen und weinen – das könnte von allergrößter Bedeutung sein – im Kleinen wie im Großen – und wäre damit im besten Sinne systemrelevant.