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Corona-Zeiten

‚Lethal Weapon II‘

Wie der gleichnamige Film bekommt nun auch mein Beitrag ‚Lethal Weapon‘ eine Fortsetzung. Und wie im Filmgeschäft geht es auch hier um das gleiche Thema unter etwas veränderten Vorzeichen.

Mit Einführung der bundesweiten Maskenpflicht in dieser Woche wird es bei jedem Einkauf sichtbar: Wir befinden uns im Feindesland. Lethal Weapons all over the place! Die Menschen um mich herum könnten alle das perfide Virus übertragen, und genau dieselben Menschen sehen in mir eine potentielle Gefährderin. Und so warnt uns die Maske: Seht euch vor und werdet bloß nicht leichtsinnig! Wir müssen uns voreinander schützen!

Um diese Botschaft zu vermitteln ist der Mund-Nasen-Schutz ganz hervorragend geeignet. Denn wenn vom Gesicht eines Menschen nur noch die Augen zu sehen sind, assoziieren wir das gemeinhin mit Gefahr. So haben wir es jedenfalls in unterschiedlichen Szenarien gelernt:

  • Bankräuber, Schlägertrupps und gewaltbereite Demonstranten verbergen ihr Gesicht, um nicht erkannt zu werden. Das kennen wir aus Zeitungen, Video-Clips, Serien oder haben es live erlebt.
  • Ärzte trugen bisher immer dann eine grüne Einwegmaske, wenn es für uns Patienten ungemütlich wurde. Und auch wenn der Chirurg es noch so gut meint, so sorgt der Anblick einer OP-Maske doch eher für einen erhöhten Puls.
  • Muslimische Frauen, die in Vollverschleierung in der Öffentlichkeit auftreten, haben heftige Diskussionen in der Gesellschaft ausgelöst und hinterlassen bei vielen ein beklommenes Gefühl.

Eine Vermummung, Maskierung und Verschleierung signalisiert uns also von jeher unmissverständlich: ACHTUNG! Gefahr im Verzug!

Was uns also die Maske im wahrsten Sinne vor Augen hält, ist der Ernst der Lage: Der Feind ist noch mitten unter uns! Tragen wir jedoch einen Mundschutz, setzen wir ein sichtbares Zeichen gegen diesen unsichtbaren Gegner. Am Ende war genau das der eigentliche Grund für die Einführung der Maskenpflicht, sagt die Skeptikerin in mir.

Aber wer weiß, vielleicht werden die Kinder von heute ganz andere Assoziationen beim Anblick von vermummten Gesichtern entwickeln. Vielleicht wächst eine Generation heran, die mit Masken Mitgefühl verbindet und Solidarität, und die mehr Zutrauen in solche Mitmenschen hat, die nur ihre Augen zeigen. Man sagt ja, der Mensch sei lernfähig.

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Corona-Zeiten Veränderung

Abenteuer Einkauf

Heute war ich im örtlichen Supermarkt, um für unsere vierköpfige Familie den Wocheneinkauf zu erledigen. „Früher“ war das eine notwendige Routinetätigkeit, die ich relativ emotionslos erledigt habe. Seit „Corona“ ist die gleiche Tätigkeit mit einem echten Nervenkitzel verbunden. Ich spüre das schon am Abend vorher, wenn ich meine Einkaufsliste erstelle: Wird denn dieses Mal Mehl da sein? Kriege ich noch Bananen? Und vor allem: Was hat sich vor und im Markt verändert? Denn eines ist sicher – es wird anders laufen als beim letzten Besuch, und es wird unzählige neue Möglichkeiten geben, sich falsch zu verhalten. Und das will ich ja auf keinen Fall!

So bin ich also mit leicht erhöhtem Puls losgefahren, ungefähr zur Mittagszeit, in der die meisten Leute beim Essen sitzen und nicht einkaufen gehen sollten. Die erste Neuerung gleich beim Einkaufswagenparkplatz: Heute wurde der Griff nämlich dort desinfiziert, noch bevor ich meine Münze eingesteckt hatte. Neue Hinweisschilder am Eingang empfahlen dringend, doch beim Einkauf eine Maske zu tragen. Die hatte ich aus bereits genannten Gründen nicht dabei, was mich aber nicht vor dem Gefühl bewahrte, mich völlig daneben zu benehmen.

Neu waren auch die zwei Boxen mit Einmal-Handschuhen, die am Drehkreuz bereit standen. „Nur ein Paar pro Einkauf“ stand dabei. Ich nahm gar keines, weil ich vor kurzem irgendwo gelesen habe, dass von solchen Handschuhen auch Gefahr ausgehen kann. Trotzdem hat sich auch das nicht richtig angefühlt, eher „ungenügend“ oder „mangelhaft“.

Nun hatte ich zum einen mit diesem Versager-Komplex zu kämpfen, zum anderen galt es, die anderen KundInnen im angemessenen Abstand zu umfahren, gleichzeitig den Wagen zu bestücken und meine Liste abzuarbeiten.

Für allzu viel Beobachtung blieben also weder Zeit noch Muße, aber ich hatte den Eindruck, dass die Menschen im Markt das Gefahrenpotential des Einkaufens ähnlich sahen wie ich: Hier zwischen diesen Regalen könnte ja ein nicht-getesteter Infizierter stehen! Und genau genommen könnte das auch ich selbst sein! So manövrierten wir alle in weitem Bogen umeinander, der Blick konzentriert auf den Gang gerichtet, der Mund fest geschlossen oder eben unsichtbar.

Nach diesem Slalom war der Weg durch den Kassenbereich fast schon ein Kinderspiel. Die Markierung am Boden, die Plexiglasscheiben vor der Kassiererin – alles bereits vertraut und eingeübt. Jetzt nur noch vor der Bäckertheke an der richtige Stelle bestellen, das Bargeld so platzieren, dass keine Berührung mit der Verkäuferin stattfindet, dann durch die Automatik-Tür und – endlich wieder tief einatmen.

Ich spürte direkt, wie die Anspannung im Magen nachließ und der Puls sich normalisierte. Bei jedem Schritt über den Parkplatz wurde meine Haltung aufrechter und der Blick weiter. Fast schon beschwingt habe ich alles im Kofferraum verstaut; ein Gefühl von Stolz erfüllte mich im Anblick all der Produkte, die ich dem Supermarkt abgerungen hatte.

Zuhause angekommen kam ich mir vor wie die Heldin aus einer Fantasy-Serie, die gerade ein gefährliches Abenteuer bestanden hat. Ganz ehrlich: Wer braucht noch Abenteuer-Parks, wenn das Einkaufen uns einen derartigen Thrill bietet?

Auch in der kommenden Woche gibt es wieder Spannung pur: Dann werden nur noch Maskierte durch die Gänge ziehen!

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In aller Munde

oder besser: vor aller Munde ist in diesen Tagen der Mundschutz oder die Maske. In Österreich gilt ab dieser Woche gar eine Maskenpflicht für Supermärkte. Jena zieht mit und fordert seine BürgerInnen ab nächster Woche zum Tragen von Masken in Supermärkten, dem öffentlichen Nahverkehr und öffentlichen Gebäuden auf.

Mundschutz für die, die ihn für die Ausübung ihres Berufes brauchen, sowie für die, die sich krank fühlen, steht nicht zur Debatte. Es geht hier um Sinn und Ziel einer allgemeinen Maskenpflicht in bestimmten Bereichen des öffentlichen Raumes.

Um es gleich vorweg zu nehmen: Ich mag diese Masken nicht. Sie erinnern mich unweigerlich an Zahnarztpraxen, und dort habe ich für mein Empfinden schon viel zuviel Zeit verbracht. Außerdem verhindern sie – nach Kontaktverbot und Abstandsgebot – ein weiteres Stück an menschlicher Nähe : Das Lächeln! Einkaufen ist unter den gegebenen Bedingungen schon ein sehr ernste Sache geworden. Wenn dann noch alle hinter Masken versteckt sind, wird es sich anfühlen wie im Hochsicherheitslabor. Soviel zu meiner persönlichen Befindlichkeit.

Die objektiven Gründe für oder gegen ein allgemeines Maskentragen sind da weniger eindeutig. Der SWR hat dem Thema gestern gefühlt den ganzen Tag gewidmet und die Hörerinnen und Hörer haben sich fleißig eingebracht. Schlauer wurde man dabei allerdings nicht. Für beide Meinungen gab es so viele Begründungen wie VerfechterInnen.

Könnte es sein, dass wir uns tendenziell nach der Maßgabe richten, die am besten zu uns, unseren Ängsten und Befürchtungen passt? Hören wir nur da aufmerksam hin, wo unsere diffuse Ansicht bestätigt wird? Ganz offensichtlich ist das so. Genau nach diesem Prinzip funktionieren die Algorhythmen, die uns immer die Produkte und Meinungen anbieten, die in unser sorgsam ermitteltes Profil passen.

Insofern habe ich Herrn Schmidt-Chanasit (Virologe am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin) in den gestrigen Tagesthemen mit großer Erleichterung zugehört. Er hat ungewöhnlich vehement zum Ausdruck gebracht, warum er gar nichts von einer allgemeinen Maskenpflicht hält (ab Minute 4:40 auf https://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/tt-7421.html.). Und auch die WHO ist mir seit dem Statement zum Gebrauch von Mundschutz richtig ans Herz gewachsen:

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus keinen Nutzen im allgemeinen Mundschutztragen. Es gebe keinerlei Anzeichen dafür, dass damit etwas gewonnen wäre, sagte der WHO-Nothilfedirektor Michael Ryan am Montag in Genf. Vielmehr gebe es zusätzliche Risiken, wenn Menschen die Masken falsch abnehmen und sich dabei womöglich infizieren.

https://www.wz.de/panorama/corona-krise-maskenpflicht-in-jena-geplant_aid-49835805

Gute Gründe für mich, weiter ohne Maske aber mit etwas besserem Gewissen unterwegs zu sein und hier und da ein Lächeln zu verschenken (solange ich noch darf).