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Tage wie dieser

Ostern 2021

Alle Jahre wieder feiern wir Ostern.

An der Seite Jesu und seiner Jünger gehen wir durch die spannungsvollen Tage der Passionswoche. Die beginnt mit einem bejubelten Einzug in Jerusalem, nimmt uns dann mit zum letzten Abendessen und Krisengesprächen unter Freunden, führt uns Jesu‘ Zweifel und Anfechtungen am Ölberg vor Augen und mündet im Verrat durch Judas. Wir erleben die zähen Verhandlungen vor den zuständigen Behörden, die in einem Todesurteil enden. Am Karfreitag schließlich gedenken wir Folter, Leid und Tod. Dann steht die Zeit still. Kaum auszuhalten.

Müssen wir aber auch nicht lange, denn schon nach 36 Stunden (gerechnet von der Sterbestunde um 15.00 Uhr am Freitag bis zur nächtlichen Auferstehung um 3.00 Uhr am frühen Sonntag) beginnt mit Ostern etwas ganz Neues und wir sind eingeladen zur österlichen Freude, es darf gejubelt und gelacht werden. Alle Jahre wieder.

Beim Abendessen am Karfreitag am Familientisch kam eine interessante Frage auf: Wozu diese alljährliche emotionale Achterbahnfahrt, wo wir doch wissen, worauf es hinausläuft? Wenn mir Ostern etwas bedeutet, dann tut es das doch ein für alle Mal? Dann kann ich doch nicht so tun, als ob ich jedes Jahr auf’s Neue überrascht und auf’s Neue begeistert bin, oder?

Diese Fragen und Gedanken sind mir gut vertraut und begleiten mich mehr oder weniger drängend schon einige Jahrzehnte. Allerdings hatte ich – anders als unsere Söhne – es nie gewagt, sie an geeigneter Stelle auch auszusprechen. Nun sind sie „auf dem Tisch“ und ich versuche mich an einer Antwort. Immerhin habe ich Ostern nie „ausfallen“ lasssen (was an der Seite eines Gemeindepfarrers natürlich auch recht schwierig geworden wäre).

Warum also alle Jahre wieder die genau gleichen Ereignisse bedenken und feiern? Und da kann man über die religiösen Feste hinaus ja auch fragen, wozu wir alljährlich unsere Geburtstage feiern. Unser Am-Leben-Sein an sich beweist, dass es diesen einen entscheidenden Tag der Geburt gegeben hat. Trotzdem tut es anscheinend gut, sich regelmäßig daran zu erinnern. Wenigstens an einem Tag im Jahr sich dieser erstaunlichen Tatsache gewahr werden, dass ich schon so und so viele Jahre als lebendiges Wesen auf dieser Welt bin.

Erinnern – vielleicht geht es auch an Ostern einfach nur darum: sich erinnern!

Daran, dass menschliches Leben seit jeher aus Höhen und Tiefen besteht, aus Gemeinschaft und Einsamkeit, aus Verzweiflung und Hoffnung, aus Trauer und Freude, aus Leben und Tod.

Daran, dass wir in dieser Spannung leben und es mitunter ziemlich schwer ist, sie auszuhalten.

Beim nächsten familiären Treffen am Tisch kann ich zumindest diese Antwort beisteuern: durch das Osterfest 2021 wurde ich daran erinnert, dass das Leben weitergeht – allem Widrigen zum Trotz.

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Corona-Zeiten Tage wie dieser Veränderung

Ostern 2020

„Die Welt danach wird eine andere sein,“ so der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gestern in seiner Fernsehansprache. Damit meinte er natürlich die Corona-Krise, aber dieser Satz passt auch gut zum Osterfest. Die Welt nach jenem ersten Ostermorgen war eine völlig andere für die Männer und Frauen, die ihr Vertrauen auf Jesus von Nazareth gesetzt haben. All ihre Träume, Hoffnungen und Wünsche hatten sie mit ihm begraben; und nun war auf einmal der Himmel wieder offen. Mit der Auferstehung feiern wir auch heute noch das Leben mitten im Tod, den Neubeginn da, wo alles zu Ende schien, die Zuversicht nach der Erfahrung des totalen Scheiterns, die ungeheuerliche Veränderung.

„Die Welt nach Corona wird eine andere sein“, sagt Steinmeier und da stimme ich unumwunden zu. Anders wird sie auf jeden Fall, wie die veränderte Welt konkret aussehen könnte, bleibt offen. Er fügt lediglich hinzu: „Wir alle haben das in der Hand.“ Und da könnte das Problem liegen. Es gibt halt nicht nur die eine Hand, sondern sehr viele. Und ich vermute, dass es sehr unterschiedliche Ideen und Meinungen darüber gibt, wie eine andere Welt aussehen soll.

Für mich zum Beispiel ist eine Welt ohne Fußballbundesliga durchaus denkbar; auch SportUtilityVehicles bräuchte ich in der veränderten Welt gar nicht. Einwegklamotten zum Schleuderpreis gäbe es auch nicht mehr. Verreisen würden wir seltener und Convenience Food würde nach und nach aus der Kühltheke verschwinden. Immobilienspekulanten wären arbeitslos, weil es genug Wohnraum für alle gäbe.

Vielleicht wären wir schlechter frisiert und die Haare ehrlich grau. Die Garderobe würden wir nicht jede Saison wechseln, und die Kinder nicht zum Vokabel-Lernen drängen. Die pflegeleichten Steingärten würden sich in wilde Vorgärten verwandeln und Menschen hätten Zeit, darin auf einer Bank zu sitzen. Wir würden ganz viel Staunen – über die Welt, die Käfer und Vögel, unsere Nachbarn und Freunde – und über uns selbst.

Tja, wenn ich es „in der Hand“ hätte… Ziemlich viele Konjunktive sind das geworden, und dabei hätte ich noch viele weitere Zukunftsvisionen.

Aber vielleicht muss ich gar nicht warten, bis die Welt von meinen Ideen überzeugt ist. Vielleicht bietet mir die Kombination von Ostern und Corona genau die Aufbruchstimmung, die nötig ist.

„Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.“

Mahatma Gandhi

Selten hat dieses Wort besser gepasst als an diesem Osterfest.