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Corona-Zeiten system(ir)relevant Von Gestern

Das große Testen

„Also, ich bin übrigens getestet – alles gut“ Ein Satz, den ich in den letzten Tagen öfter gehört habe und der zur angesagten Begrüßungsformel in der nächsten Pandemie-Phase werden könnte. Ich konnte das von mir noch nicht sagen und schon stellt sich die Frage: Bin ich etwa unverantwortlich, wenn ich mich nicht regelmäßig testen lasse?

Dieses damit einhergehende irritierende Gefühl kommt mir bekannt vor; vor ziemlich genau einem Jahr habe ich mehrfach darüber geschrieben. Die Schutzmaßnahmen, die ergriffen werden, gehen jetzt in eine nächste Phase, oder halt: „Lethal Weapon 3-5“.

Wie schon im letzten Jahr sträubt sich etwas in mir, dem Testen mein absolutes Vertrauen zu schenken. Nach dem Abstand-Halten, den Alltagsmasken, den medizinischen Masken, den FFP2-Masken und den immer stärkeren Kontaktbeschränkungen soll der maximale Schutz nun mit dem Testen und Getestet-Werden erreicht werden.

Daran wird meine Störrigkeit natürlich rein gar nichts ändern, und ich sehe mich schon in der Warteschlange des hiesigen Test-Zentrums stehen, um zum Friseur zu dürfen. Also, diesmal kein Protest von mir an dieser Stelle.

Ganz im Gegenteil: Ich fordere, dass wir noch deutlich umfassender testen, wie gefährlich wir für einander wirklich gerade sind!

Für die Pilotphase habe ich mir Folgendes ausgedacht: Um Begegnungen mit einem oder mehreren Mitmenschen* möglichst gefährdungsarm gestalten zu können, testen wir uns regelmäßig selbst!

Die fünf Leitfragen für diesen Selbst-Test lauten:

  • Ist meine Genervtheits-Kurve über dem Durchschnitt?
  • Steigt mein Neid-Faktor exponentiell an?
  • Brauche ich schon morgens die Extra-Portion Bestätigung?
  • Sind meine Gedanken zu 60% mit Zynismus gesättigt?
  • Liegt meine Ärger-Inzidenz bei fünf Wutausbrüchen in den letzten sieben Tagen?

Die Auswertung ist unkompliziert und kann direkt vorgenommen werden: Fünfmal NEIN = negatives Testergebnis. Ein JA bei einer der Fragen = positives Testergebnis. Wenn wir damit ähnlich transparent umgehen wie mit den Ergebnissen der Covid-Tests, zum Beispiel mit einem roten und grünen Button, dann wäre für das jeweilige Gegenüber unschwer zu erkennen, welches Beziehungsgefährdungspotential wir jeweils mitbringen.

Sehen wir Rot, empfiehlt sich die Anwendung der mittlerweile gut eingeübten Abstands- und Hygieneregeln, um den Beteiligten einen ersten Schutz zu bieten.

Ich bin überzeugt, dass mit diesem Test ein vielversprechendes Tool für künftiges sicheres Zusammenleben zur Verfügung steht und warte nur noch auf den Bescheid der zuständigen Zulassungsstelle. Dann kann das Große Testen beginnen!

*(Familienmitglieder über und unter 14 Jahren gehören ausdrücklich dazu!)


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Corona-Zeiten

‚Lethal Weapon‘

Auch wenn ich mir ganz gerne mal einen Actionfilm anschaue, die „Lethal Weapon“-Reihe aus den Achzigern („Tödliche Waffe“) gehört nicht dazu. Trotzdem hat sich mir der Titel eingeprägt, weil ich das Wort „lethal“ bis dato nicht kannte und nachgeschlagen habe. Und ausgerechnet diese zwei Worte kamen mir beim Mittagsspaziergang in den Sinn.

Ich war wie so oft in den letzten Tagen auf dem gut genutzten Geh- und Radweg entlang der Bahnlinie unterwegs, und hab viele Menschen gesehen. Allein, zu zweit, mit Kindern – ganz vorschriftsmäßig. Aber ich war nicht mehr so offen und zugewandt wie noch vor einer Woche. Und vielleicht bilde ich es mir nur ein – aber es fühlte sich nach deutlich mehr Distanz an, als die zwei Meter Abstand.

Die Diskussion um das Tragen von Masken und die klare Botschaft, dass ich damit in erster Linie die anderen schützen könnte, wirft ein neues Licht auf das, was „schützen“ bedeutet.

Natürlich wollen wir einander und vor allem die Verwundbarsten unter uns schützen. Das ist ein zutiefst menschlicher Reflex: Wir tun alles, um Unglück von denen abzuwehren, die uns lieb sind und versuchen, Not zu lindern, wo es möglich ist.

Corona bringt uns in dieser Hinsicht in eine absurde Situation. Wenn ich die Hinweise und Erkenntnisse ernst nehme, liegt es auf der Hand: Die größte Gefahr für meinen Mitmenschen bin ich. Denn ich könnte – völlig ahnungs- und absichtslos – den möglicherweise todbringenden Virus übertragen. Das, vor dem ich den anderen schützen soll, bin ich selbst! Die ‚Lethal Weapon‘ – das wäre dann ich!!! Umgeben von unzähligen weiteren ‚Lethal Weapons‘ 😱

Ich gebe zu – ein schräges Bild. Aber immerhin sind wir soweit, dass Kinder ihre alten Eltern nicht mehr besuchen, Enkel nicht mehr bei den Großeltern spielen, kranke Angehörige in der Klinik allein bleiben, Sterbenden keiner mehr die Hand hält. Senioren bekommen eine spezielle Zeit zum Einkaufen zugewiesen – alles nur zu ihrem Schutz. Wir sind plötzlich alle zu Gefährdern geworden!

Könnte es sein, dass wir hier über das Ziel hinausschießen… ?